BÜRGERENTSCHEID: Gemeinderat Günther Martin (Grüne) bezieht Stellung und begründet seine Ablehnung des Umbauprojekts
„Kein Gebäude, und schon gar kein neues, unnötiges Rathaus“
Ketsch. Nicht im Namen seiner Fraktion, sondern als Mitglied des Gemeinderats nimmt Grünen-Mitglied Günther Martin in einer öffentlichen Erklärung Stellung zum Bürgerentscheid, die wir gekürzt widergeben.
Am 15. August habe der Gemeinderat den Bürgerentscheid absegnen müssen, denn die IG Marktplatz habe genügend Unterschriften gesammelt und damit den Entscheid erzwungen, beginnt Martin seine Ausführungen. Dass er gegen die Bebauung gestimmt habe, sei wohl allgemein bekannt. Am 15. August habe er daher in der Gemeinderatssitzung eine eigene, sehr ausführliche Stellungnahme abgegeben. Diese sei allerdings nur sehr gekürzt im Protokoll der Sitzung und im Gemeindeblatt wiedergegeben worden.
Weiter führt Martin aus, er habe erwartet, dass einige seiner Bemerkungen – wie zum Beispiel „ Ich würde mir wünschen, dass mehr Bürger zu dieser Wahl gehen, als zur Bürgermeisterwahl“ oder „Es ist bewundernswert, dass sich Menschen für ihre Überzeugung so einsetzen, ohne persönlichen Vorteil, nur weil sie davon überzeugt sind, da läuft etwas falsch“ – nicht im Protokoll erscheinen würden. Aber er habe bei dieser Sitzung auch gesagt, dass er gute Gründe habe, die Bebauung abzulehnen. Wörtlich schreibt Martin: „Mir gefällt unser großer Bahnhofsplatz, jetzt Marktplatz. Als das Planungsbüro die Pläne vorstellte und erklärte, die Bebauung wird den umliegenden Gebäuden angepasst – was heißt: das Gebäude wird wie die Banken aussehen – war für mich klar: So einen Betonklotz will ich nicht auf unserem Bahnhofsplatz.“
Weiter sei er nicht dagegen, den Belag des Platzes, der sehr ungepflegt sei, zu erneuern. Was aber spreche dagegen, den Platz als Parkplatz zu nutzen, wenn dort kein Markt sei. Dazu führt er weiter aus: „Wir haben im Innenbereich sehr wenige Parkplätze und nur da, wo die Menschen mit ihrem Auto hinfahren können, da gibt es Geschäfte.“ Auch werde das Gebäude auf den Illustrationen nur von der abgestuften Seite gezeigt. Die Ansicht von der Schwetzinger Straße werde hingegen nicht gezeigt. Martin ist überzeugt: „Hier wird am Kreisel eine Betonmauer errichtet, die drei Stockwerke hoch wird. Wo heute viel Platz ist, wird es dann sehr eng. Ich will den großen Platz erhalten.“
Liste der IG unterschrieben
Günther Martin fährt fort, dass er wohl als einziger Gemeinderat die Liste der IG unterschrieben habe und auch heute noch gegen eine Bebauung des Marktplatzes sei. Die erste Frage des Bürgerentscheids zur generellen Bebauung des Marktplatzes werde er deshalb am Sonntag mit „Ja“ beantworten und die Bebauung somit ablehnen.
Doch auch zum zweiten Punkt des Bürgerentscheids äußert sich Martin. Das Hauptargument für das Gebäude sei, dass es den Platz beleben werde, so Martin. Das aber glaube er nicht. Ein Gastronom habe ihm dazu gesagt: „Wenn die Menschen, die das Rathaus besuchen, danach ins Café gehen würden – so würden die Menschen am ,Café am Rathaus‘ Schlage stehen.“ In diesem herrsche aber, wie in vielen andern Cafés in der Gemeinde, oft gähnende Leere, so Martin. Er sei daher der Überzeugung, es gebe genügend Cafés in Ketsch und ein weiteres werde kein Kaffeehaus mit einem Umsatz wie in Schwetzingen. Auch stünde im „aufwendigen und sehr teuren“ Flyer der Gemeinde nichts mehr von einem Investor für das Café, weshalb er sich frage, ob es diesen nicht mehr gebe.
Die Frage sei außerdem: „Brauchen wir ein neues Rathaus? Für mich beantworte ich die Frage mit einem ,Nein‘“, so Gemeinderat Martin. Er möchte, dass weiterhin alle Ämter, die von Bürgern besucht werden, an einem Ort seien. Wenn man tatsächlich Platzprobleme habe im Rathaus – was er nicht sehe –, dann sei es auch möglich Ämter auszulagern, die kein Publikum hätten. Wörtlich schreibt Martin: „Für diese Ämter reicht ein günstiger Zweckbau zum Beispiel beim Bauhof. Natürlich ohne teure Tiefgarage.“
Wer den Haushaltsplan der Gemeinde kenne, der müsste nach Martins Überzeugung absolut gegen weitere Geldverschwendung sein. Der Haushalt 2016 sei – laut Kämmerer – nur durch einen Zuschuss aus der Rücklage auszugleichen. Obwohl die Steuereinnahmen noch nie so hoch gewesen seien wie heute, seien die Ausgaben höher als die Einnahmen, so Martin in seinem Schreiben. 2017 werde die Rücklage durch die Kosten für den Kreisel, die Schwetzinger Straße und die Schule vollständig aufgebraucht sein. Und so fragt er rhetorisch: „Wäre es da nicht sinnvoll zu sparen? Ich kann mir da schon vorstellen wie wir 2017 gezwungen sind, Steuern und Gebühren zu erhöhen.“
Weniger Macht für Bürgermeister
Alternativ könne man überlegen Kosten zu sparen. Am Beispiel des Grundbuchamts sehe man deutlich, wie das zu machen sei. Viele Tätigkeiten der Verwaltung hätten sich verändert, so Martin: „Kein Mensch zahlt heute noch seine Wasserrechnung bar bei der Gemeindekasse ein. Vielleicht wäre die Zusammenlegung von Tätigkeiten der Verwaltung mit den Nachbargemeinden eine Lösung. Ich denke hier an das Kämmereiamt und das Bauamt.“ Natürlich wisse er, dass der Bürgermeister damit auch einen Teil seiner Macht aufgeben müsse. Bei seiner Lösung brauche die Gemeinde aber „weniger Rathaus!“ und würde Gelder sparen.