„Vom Forst zerstört“
Ketsch. Zu unserem in der Freitagsausgabe erschienenen Bericht über den Rheinwald („Blick in die Krone und auf die Rinde reicht“) erreichte uns eine Stellungnahme vom Grünen-Gemeinderat Günther Martin. Für ihn sollte es heißen: „Es war einmal ein Naturschutzgebiet. Das war es zu Zeiten, als der Förster noch Klaus Hartensuer hieß. Noch mehr ein Naturschutzgebiet war der Ketscher Rheinwald, bevor die neue Brücke gebaut wurde. Da konnten nur leichte Fahrzeuge über den Altrhein in den Rheinwald“, schreibt er.
Mit der neuen Brücke habe das Ausräumen begonnen. So heißt es weiter: „Die alten starken Bäume waren viel Geld wert und das Geld war wichtiger als der Naturschutz. Heute stehen in diesem Wald nur noch sehr wenige starke Bäume. Auch viele für den Naturschutz wichtige Plätze sind zerstört. Ein Beispiel sind die jetzt sehr breiten Wege, auf denen sich zwei große LKW begegnen können und aneinander vorbeifahren können.“
Kaum noch Pyramidenpappeln
Der Pflege- und Entwicklungsplan, eine Verordnung, die vorgeben sollte, wie der Wald gestaltet werden muss, damit die zu schützende Natur erhalten bleibt, lobe die zugewachsenen, höhlenartigen Wege im Naturschutzgebiet. Es gebe sie kaum noch, heute werde kein Lastwagen, der viel zu schnell in diesem Wald unterwegs sei, einen Kratzer bekommen. Auch Bäume, die früher nichts wert waren und wichtig für den Naturschutz sind, seien fast alle gefällt – so die für den Rheinwald so besonderen Schwarzpappeln, die Pyramidenpappeln.
Diese Bäume seien hohl, haben kurze Äste und bieten vielen Tieren ein Zuhause. „Als man die Pyramidenpappeln am Leinpfad Richtung Brühl gefällt und zu Hackschnitzel verarbeitet hatte, habe ich mich darüber beim Kreisforstamt und dem Regierungspräsidium – zuständig für die Schutzgebiete – beschwert. Ich hatte darauf hingewiesen, dass diese Schwarzpappeln geschützt sind und dass in diesen 80 Prozent der Fledermäuse lebten und überwinterten“, berichtet Günther Martin. Die waren durch das Fällen und Häckseln tot. Die Antwort des Forstes sei gewesen: Es sei nicht zu vermeiden, dass Lebewesen, auch besonders geschützte, in geringen Mengen bei den Arbeiten im Wald getötet werden. „Ich hatte dann bei einer Begehung den Leiter des Forstamtes darauf angesprochen und ihn gefragt, ob 80 Prozent der Fledermäuse denn eine geringe Menge sind? Seine Antwort war, bundesweit gesehen sind die paar Fledermäuse, die hier sterben mussten, eine geringe Menge“, sagt der Gemeinderat.
Ein anderes Beispiel: Im Bundesnaturschutzgesetz stehe: „Bei der forstwirtschaftlichen Nutzung ist das Ziel zu verfolgen, naturnahe Wälder aufzubauen und diese ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften.“ Bei einer Begehung habe er das auch das angesprochen, denn es gebe sehr viele Kahlschläge im Rheinwald. Günther Martin weiter: „Dabei hat man mir erklärt, dass das gut ist für die nachgepflanzten Eichen. Ich müsste das doch verstehen, die Eichen waren nach vielen Jahren hiebreif. Jetzt pflanzt der Forst, weil er nachhaltig handelt, wieder Eichen nach. Auf meine Frage, warum man denn nicht die alten Bäume stehen lässt, erhielt ich die Antwort: Wir sind der Forstwirtschaft verpflichtet, schon im Wort Forstwirtschaft ist festgeschrieben, was unser Ziel ist, wie die Landwirtschaft ist unser Ziel, wirtschaftlich zu arbeiten. Das tun wir.“
Unter absolutem Schutz
Ein weiteres Beispiel: Laut Verordnung über das Naturschutzgebiet Ketscher Rheininsel vom 23. Dezember 1983 stehe: „Es ist verboten, Pflanzen oder Pflanzenteile einzubringen, zu entnehmen oder zu zerstören. Auf Martins Frage, wieso das nicht befolgt werde, habe der damalige Förster geantwortet: Das gelte nicht für den Forst, außerdem würden nur zertifizierte Pflanzen verwendet. Der Grünen-Gemeinderat fragt sich allerdings, wer außer dem Forst oder unter der Aufsicht des Forsts im Wald arbeite. „Wir haben im Ketscher Rheinwald das wohl am strengsten geschützte Gebiet in Deutschland. Der Rheinwald ist nicht nur ein Naturschutzgebiet, ein Vogelschutzgebiet, ein Ramsar-Gebiet, ein Teil des Natura-2000-Gebiets und damit ein FFH-Gebiet – es sollte ein Gebiet sein, das unter absolutem Schutz steht. Doch wer schützt das Gebiet vor den Förstern?“, heißt es in der Stellungnahme weiter.
„Alle Jahre wieder“ stehe in der Zeitung, dass die Förster alles tun würden, um diesen Schatz zu hegen und zu pflegen. Günter Martin: „Jeder, der heute in den Wald geht, sieht, dass das kein geschütztes Naturschutzgebiet mehr ist. Es ist ausgeräumt und vom Forst zerstört. War es das wert? Der, der das schützen sollte, hat es ausgeräumt. Das Regierungspräsidium, das darauf achten sollte, dass das nicht passiert, sagt, sie haben zu wenig Personal, um sich damit zu beschäftigen. Ich könnte nun mit vielen weiteren Beispielen fortfahren, das brauche ich nicht, denn jeder, der in den Wald geht, erkennt, was der Forst angerichtet hat. Ich sehe die Aufgabe dieses Försters in einem der am meisten geschützten Gebiete in Deutschland nicht in der wirtschaftlichen Ausbeute des Waldes, sondern in erster Linie im Schutz der Umwelt.“
Prüfung gefordert
Seit mehr als zehn Jahren fordere er daher für jede Maßnahme im Natura-2000-Gebiet eine artenschutzrechtliche Prüfung mit Bürgerbeteiligung. Das sei am Widerstand des Regierungspräsidiums und des Forsts gescheitert. „Das würde auch sehr viel mehr Arbeit machen und so können die Förster weiter, ohne sich an Naturschutzvorgaben wie die Pflegepläne zu halten, weiter wirtschaftlich arbeiten. Ich setze hier große Hoffnung in unseren neuen Landtagsabgeordneten der Grünen in Stuttgart“, heißt es abschließend.
Schöne Bilder von der Rheininsel gibt es auf: