Ketscher SPD und der Holzmichel

KRITIK AN GEMEINDERAT MARTIN NACHDEM JAHRELANG NICHTS ZU HÖREN WAR, STEHT MAN NUN FEST AN DES BÜRGERMEISTERS SEITE

 

Unfassbar! Nicht zu glauben! Der Holzmichel lebt noch! Es gibt sie wirklich noch – die Ketscher SPD. Der Ketscher Ortsverband – er gilt für mich als der schlechteste in Baden – hat sich zurückgemeldet. Um ehrlich zu sein: vermisst hat ihn keiner.

Dieses völlig unerwartete Ereignis ist sehr wahrscheinlich auf den neuen Parteivorsitzenden Martin Schulz zurückzuführen. Dessen Kanzlerkandidatur und die steigenden Umfrageergebnisse haben die Ketscher Genossen aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt. Ach, man wünscht sich, sie hätten weitergeschlafen. Obwohl es in der Vergangenheit genug Gelegenheiten für die Partei gab, hat man von ihr nichts gehört und nun plötzlich tauchen sie wie Phönix aus Asche, aus der Versenkung wieder auf.

Nichts war von den Genossen zu hören, als es um die Schließung von „Borg Warner“ oder um die Erhaltung der Arbeitsplätze bei „Nah und Gut“ ging. Hier wäre ein Einsatz einer sozialen Partei, die ja die SPD sein will, für die Beschäftigten dringend nötig gewesen. Aber geglänzt hat man durch Nichtstun. Lediglich bei den Trinkfesten „Fischerstechen“ und „Maifest“ hat man sich sehen lassen.

Doch nun, welch eine Überraschung, eine Stellungnahme in der Schwetzinger Zeitung. Grund war nicht ein Missstand oder ein soziales Problem, nein es war ein Zeitungsartikel von Gemeinderat Günther Martin. In diesem Artikel bemängelte der grüne Rat, dass der Bürgermeister eine Wirtschaftsbefugnis in Höhe von 40 000 Euro hat. Das heißt, bei jeder Einzelentscheidung kann Bürgermeister Kappenstein bis zu diesem Betrag frei entscheiden, wie dieser verwendet wird. Die Höhe ist, für eine Gemeinde in der Größenordnung von Ketsch, wirklich außergewöhnlich. Beschlossen hat dies, irgendwann mal, der Gemeinderat.

Die Kritik an diesem Umstand, ist für die SPD – hat man nichts Besseres zu tun? – nun Grund, eine öffentliche Stellungnahme abzugeben. Darin wird folgender Grund angeführt: Man wolle nicht über jeden Kugelschreiber oder jede Tariferhöhung eine Sondersitzung des Gemeinderats einberufen müssen. Meine liebe SPD, in was für einer Welt lebt ihr denn, wenn ihr diese Höhe als Peanuts abtut, und mit welchen Kulis schreiben wohl die Genossen. Eine Wirtschaftsbefugnis in Höhe von 15 oder 20 000 Euro, würde wohl genügen, um die Verwaltungsaufgaben zu bewältigen.

Weiter heißt es in der Stellungnahme, man habe vollstes Vertrauen in den Bürgermeister. Im Klartext: Egal, wie hoch der Betrag – lass das mal den Kappenstein machen – wir nicken es ab. Ich kann nur erwidern: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Ja für was braucht es denn einen Gemeinderat? Sicherlich keinen, der wie die Mehrzahl der Räte, allem was die Verwaltung vorschlägt, zustimmt. Aber mit leerem Kopf, da nickt sich’s leicht. Und leichter kann man es dem Bürgermeister wahrlich nicht machen; „Auf meinem Tisch tanzt keine Maus.“

Der lacht sich doch ins Fäustchen, wenn jetzt alle Fraktionen, wie geschehen in der Sitzung vom 3. April, über Gemeinderat Martin herfallen. Der Grüne ist doch der Einzige unter den Ratsmitgliedern, der sich getraut, dem Bürgermeister zu widersprechen und der die Verwaltung auch mal, wenn nötig, kritisiert.

Rätselhaft ist vor allen Dingen, wie man das als Beleidigung auffassen kann. Aber er war der Einzige, der sich vehement gegen die Bebauung des Marktplatzes ausgesprochen hat und aktiv gegen dieses unsinnige Vorhaben mitarbeitete. Deshalb wohl auch dieses konzertierte Vorgehen im Gemeinderat. Die haben die Niederlage beim Bürgerentscheid nicht verdaut. Deswegen diese „Rache der Zwerge“. Und sicherlich würde die Arbeit für die überlasteten Gemeinderäte noch mehr zunehmen? Die Armen!

Zum Schluss noch etwas Erfreuliches: Unbestätigten Gerüchten zufolge soll bei den letzten Fraktionssitzungen der Sozialdemokraten das Lied „Lebt denn der alte Holzmichel noch?“ gesungen worden sein. Weiteren Gerüchten nach, wurde sogar Bernd Bürkle (Ketscher Komponist und Texter) um Mithilfe bei einer Neuvertonung gebeten.

Walter Rohr, Ketsch

© Schwetzinger Zeitung, Samstag, 08.04.2017