Uneinigkeit beim Schutz der wilden Reben

RHEININSEL: GÜNTHER MARTIN BEFÜRCHTET NEGATIVE AUSWIRKUNGEN DURCH BAUMFÄLLARBEITEN / FÖRSTER NORBERT KROTZ SIEHT EINSCHLAG IM EINKLANG MIT DEM NATURSCHUTZ

08. Januar 2016, Autor: Ralf Strauch

KETSCH. Die Rheininsel ist ein nach EU-Recht höchstgeschütztes Biotop. Eine besondere Kostbarkeit dort ist die Wilde Weinrebe, die sonst nirgendwo im Land in einer derart stabilen Population zu finden ist. Darüber herrscht Einigkeit bei Günther Martin, der unter anderem für Bündnis 90/Die Grünen im Ketscher Gemeinderat sitzt, und Revierförster Norbert Krotz. Uneins sind beide allerdings darin, was zum Schutz des Ökosystems auf der Rheininsel und speziell der Wilden Weinrebe gemacht werden soll.

Auslöser sind die geplanten Baumfällarbeiten in dem einmaligen Naturschutzgebiet. Zwar übt Martin allgemein daran Kritik, doch seine Hauptbefürchtung gilt der seltenen Weinpflanze. „Nachdem im vergangenen Jahr an einigen Wildreben ein Schaden entstanden ist, möchte ich dieses Jahr den Forst daran hindern, weitere Wildreben zu entfernen oder zu schädigen“, erklärt Martin gegenüber unserer Zeitung. Für die europäischen Natura-2000-Gebiete wie die Rheininsel gilt als Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, die Biotope mit ihren typischen Lebensgemeinschaften in ausreichendem flächenmäßigen Umfang und günstigem Erhaltungszustand zu bewahren oder wiederherzustellen.

„Eine Verschlechterung“

Für die Arten und Lebensraumtypen im Natura-2000-Gebiet gilt daher grundsätzlich ein Verschlechterungsverbot. Eine Verschlechterung sieht Martin allerdings auf den Lebensraum der seltenen Pflanze zukommen, wenn die Kettensäge im Lebensraum der Reben zum Einsatz kommt. Es bestehe zwar kein generelles Verbot für die Bewirtschaftungen in solchen Schutzräumen, „doch entscheidend sei, ob ein Vorhaben, eine Planung oder Nutzung den jeweiligen Lebensraumtyp oder die zu schützende Art – in diesem Fall die Wildrebe – erheblich beeinträchtigen könnte“, betont er und weist darauf hin, dass bereits ein plötzlich lichterer Wald negative Auswirkungen auf die empfindlichen Reben haben könnte.

Von Spezialisten untersucht

Revierförster Norbert Krotz wiegelt auf unsere Nachfrage hin ab. In dem Bereich, in dem in wenigen Wochen einzelne Bäume gefällt werden sollen, habe nicht nur er das Vorkommen der Weinrebe überprüft, sondern auch Spezialisten vom KIT in Karlsruhe. Insgesamt seien vier alte und eine junge Pflanze entdeckt worden. „Die, beziehungsweise ihre Trägerpflanzen, an denen sie nach oben klettern, werden für die Fällarbeiten deutlich markiert und meine Mitarbeiter werden dann noch einmal explizit auf den Schutz dieser Pflanzen vor Ort hingewiesen“, sichert Krotz zu.

Gefällt werden sollen vor allem schwächere Laubbäume, da vor allem Eschen, Ahorn, Hainbuche und Linden. Alte Eichen – auch sie stellen einen besonderen biologischen Schatz dar – kämen in diesem Teil der Rheininsel kaum vor. Der Revierförster sieht die Fällarbeiten nicht als Gegensatz zum Naturschutz, sondern als wichtiges Element dafür.

„Kein negativer Eingriff“

Wälder würden seit vielen Generationen bewirtschaftet, deshalb müsse man die heutigen Bestände entsprechend pflegen, um sie biologisch wertvoll zu erhalten. „Wir nehmen nur schwache und kranke Bäume heraus – das hilft den anderen Pflanzen des Waldes“, hebt er hervor. Und auch die Traufpflege am Waldrand sieht der Revierförster nicht als negativen Eingriff. Es würde lediglich zurückgeschnitten, damit wieder ein Gleichgewicht zwischen Wiesen und Wäldern hergestellt werde. „Würden wir das nicht machen, würde der Wald die Insel zuwuchern und andere wichtige Lebensräume zerstören“, erklärt er seine Sicht.

Schwere Fahrzeuge kämen nur zum Einsatz, um die geschlagenen Bäume auf den Wegen abzutransportieren. Das Rücken des Holzes vom Ort des Einschlags zu den Wegrändern erfolge mit speziell an den weichen Boden angepassten Fahrzeugen. Deshalb würde durch sie kein Boden abseits der Wege aufgewühlt. Auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Fällarbeiten angesprochen, erklärt Krotz, dass die nicht nötig sei, weil alle Arbeiten im Einklang mit dem vor etwa zehn Jahren verfassten Waldentwicklungsplanes stünden. Dessen Vorgaben seien von der höheren Naturschutzbehörde festgelegt worden, unterstreicht Krotz.

Doch allen Beteuerungen der Forstverwaltung zum Trotz bleibt Günther Martin skeptisch und verweist auf die im vergangenen Jahr unter gleichen Vorzeichen angerichteten Schäden.

© Schwetzinger Zeitung, Freitag, 08.01.2016