Wo bleibt das Konzept für den Schulstart?

Gemeinderätin Alexandra Scalia mit ihrer Tochter Sara bei den lernen

KINDERBETREUUNG GEMEINDERÄTIN ALEXANDRA KEILBACH (CDU) UND ALEXANDRA SCALIA (GRÜNE) SETZEN SICH FÜR FAMILIEN EIN / DIGITALISIERUNG SOLLTE AUSGEBESSERT WERDEN

In der Schwetzinger Zeitung vom 5.6.2020 ist folgender Beitrag über unseren Ortsverband erschienen. Autor: Caroline Scholl

Ketsch. Fast genau ein Jahr ist es her, dass Alexandra Keilbach für die CDU und Alexandra Scalia für die Grünen neu in den Gemeinderat der Enderlegemeinde gewählt wurden. Die Frauen, die selbst Mütter von jeweils zwei Töchtern sind, haben sich vor der Wahl dazu bekannt, sich unter anderem für die Belange der Kinder und Familien in der Gemeinde einsetzen zu wollen.

Als Keilbach und Scalia zusammen mit weiteren Gemeinderäten aus Ketsch in Wiesloch ein Infoseminar „Kindertagesbetreuung und Schule für neue Gemeinderäte“ besuchten, war noch in keiner Weise klar, wie sich gerade dieses Thema mit dem aufkommenden Coronavirus verschärfen würde und welche große Herausforderungen auf viele beteiligte Instanzen zukommen.

„Die Situation ist absolut angespannt, was den Familien aktuell abverlangt wird, ist enorm. Allerdings sind auch die Schulen und Kindergärten oft mit Verfügungen konfrontiert, die an einem Samstag veröffentlicht werden und dann ab Montag gelten. Eine direkte Umsetzung hat schon aus organisatorischen Gründen keine Chance. Auf der anderen Seite steht der Unmut der Eltern, die verständlicherweise auf jede Entlastung angewiesen sind“, erklärt Alexandra Scalia, die selbst zu Hause Tochter Sara, die in der sechsten Klasse auf dem Gymnasium ist, mit Homeschooling unterstützt. Ihre größere Tochter macht aktuell das Abitur, die Prüfungen laufen hier auch unter ganz anderen Umständen.

Enttäuscht vom Ministerium
Gemeinderatskollegin Keilbach ergänzt: „Der Stress, der nun in den Familien entsteht, ist gewaltig. Statt mehr Familienzeit, die sicher nötig wäre, um die verschiedenen psychologischen Belange aller Familienmitglieder von jung bis alt abzufangen, herrscht nun Druck und Unsicherheit.“ Enttäuscht zeigt sich Scalia vom Umgang seitens des Kultusministeriums. „Ich habe absolut Verständnis dafür, dass keiner bei Entstehung der Krise einen Masterplan aus der Schublade zaubern konnte. Allerdings sind nun viele Wochen vergangen und viele Dinge wie Abstands- und Hygieneregeln sind umgesetzt. Nun würde ich mir wenigstens ein konkretes Konzept beispielsweise für den Start des neuen Schuljahres wünschen. Aktuell entstehen meiner Meinung nach möglicherweise Bildungslücken, die nicht so einfach aufgeholt werden können. Das derzeit vielfach angewendete „Auf-Sicht-Fahren“ halte ich beim Thema Bildung für sehr riskant“, sagt die Vertreterin der Grünen besorgt.

„Dass Bildungslücken entstehen, halte ich für unstrittig. Schon alleine, weil nicht alle gleichermaßen mit dem Homeschooling erreicht werden können. Ob es der Weisheit letzter Schluss, ist die Versetzung aktuell grundsätzlich allen Schülern zu ermöglichen, wage ich zu bezweifeln. Hier muss der Appell an die Eltern gehen, die sicher am besten damit fahren, wenn sie einen wachsamen Blick darauf haben, ob das eigene Kind den geforderten Leistungsstand erfüllt, oder inwieweit die Krise und die fehlenden sozialen Kontakte dem Kind Probleme bereiten.

Ein freiwilliges Wiederholen bei Bedarf sollte nie ein Makel sein, sondern im Gegenteil. Es zeigt einen sehr verantwortungsvollen Umgang mit den Belangen des Kindes“, weiß Keilbach, deren Töchter mittlerweile in einer Berufsausbildung beziehungsweise in einem FSJ sind. Das die beiden Schulen in Ketsch das Thema aktuell bestmöglich meistern, davon seien beide überzeugt. Im Bereich Digitalisierung gäbe es noch Luft nach oben, aber auch da sei man auf einem guten Weg, gäbe es entsprechende finanzielle Mittel schließlich nicht auf Knopfdruck, viele Voraussetzungen und Vorbereitungen seien dafür nötig.

Situation ist schwierig
Als in der vergangenen Gemeinderatssitzung eine junge Mutter verzweifelt über ihre Situation und die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten in der Kernzeit berichtete, ließ die die beiden Gemeinderätinnen nicht kalt. „Die Situation bei der Kinderbetreuung ist wirklich schwierig, doch man muss unterscheiden. Auf Kindergartenplätze gibt es einen rechtlichen Anspruch, allerdings nicht zwangsläufig im Wunschkindergarten. Bei der Kernzeit und Hortbetreuung handelt es sich um ein freiwilliges Angebot der Gemeinde. Hier sind in den vergangenen beiden Jahren Wartelisten entstanden. Allerdings darf man nicht vergessen, dass noch vor wenigen Jahren überlegt wurde, die Alte Schule zu schließen, jetzt wird sie ausgebaut. Bei Geburt eines Kindes wird niemand verlässlich sagen können, ob sechs Jahre später ein Kernzeitplatz benötigt wird und das Vorhalten von Betreuungsmöglichkeiten kostet Geld. Ich möchte die Problematik bei einzelnen Familien, die mangels Betreuungsplatz aufkommen, nicht relativieren, dies ist sehr tragisch. Allerdings sehe ich auch, dass in der Gemeinde viele Dinge entstehen. Seien es neue Kindergärten die aktuell wachsen oder auch der Ausbau der Hort-und Kernzeitplätze, der voranschreitet“, fasst Alexandra Scalia die Situation zusammen.

Ihre Gemeinderatskollegin der CDU ergänzt in diesem Zusammenhang: „Das Thema Kinderbetreuung hat sich nicht nur aufgrund der stärkeren Geburtenjahrgänge verändert. Die grundsätzliche Einstellung hierzu vielleicht auch. Wo es noch vor wenigen Jahren eher üblich war, ein Kind ab drei Jahren in den Kindergarten zu bringen, reden wir heute verstärkt über eine Betreuung ab zwei oder sogar ab einem Jahr. Dies bedeutet für unsere Gemeinde einen höheren Bedarf an Betreuungsplätzen. Diesem Thema wird sich gewidmet, aber die Umsetzungen benötigen Zeit.“

© Schwetzinger Zeitung, Freitag, 05.06.2020