Grüner Rat gerät in fraktionsübergreifende Kritik

GEMEINDERAT GÜNTHER MARTIN WIRD FÜR SEINE ÄUSSERUNGEN ZUM BÜRGERMEISTERETAT GERÜGT / ER WEISST VORWURF DER BELEIDIGUNG NACH DER SITZUNG ZURÜCK

ARCHIVARTIKEL 05. April 2017 Autor: Stefan Kern (ske)

KETSCH.Ausgehend von der Tagesordnung hätte es eine entspannte Sitzung werden sollen. Doch es kam anders. Grund war ein Brief, mit dem Günther Martin (Grüne) dem Bürgermeister einen undurchsichtigen Umgang mit den Wirtschaftsmitteln vorwarf. Eine Annahme, die der berühmte letzte Tropfen in das überlaufende Fass war. Massiv warfen sich die Ratsmitglieder für Bürgermeister Jürgen Kappenstein in die Bresche und sprachen ihm sehr deutlich ihr „absolutes Vertrauen“ aus.

Die Wirtschaftsmittel sind die Geldbeträge, über die ein Bürgermeister selbstständig aber natürlich im Rahmen der Haushaltssatzung entscheiden darf. In Ketsch sind das jährlich 40 000 Euro. Martin deutete in seinem Brief an, dass dieser Bereich undurchsichtig gehandhabt werde. Eine Annahme, die den Bürgermeister sichtlich erzürnte. Sehr deutlich erklärte er, dass diese Unterstellung eine Unverschämtheit sei. Die Höhe der Wirtschaftsmittel seien vom Gemeinderat einstimmig beschlossen worden. Und die Ausgaben würden von der Gemeindeprüfanstalt laufend kontrolliert.

„Uneingeschränktes Vertrauen“

Gleich im Anschluss übernahm Thomas Franz (CDU) die Argumentation und sagte, dass das Wort Unverschämtheit eine sehr freundliche Beschreibung für diese Vorgänge sei. Mit Gerhard Jungmann (SPD), Dieter Mummert (FWV), Karin Kohl (Unabhängige Grüne) und Gerhard Weixler (parteilos) erklärte er sein „uneingeschränktes Vertrauen“ gegenüber dem Bürgermeister. „Wir stehen alle hinter ihnen.“ Ein Satz, den die Ratsmitglieder als notwendig erachteten, weil die aus ihrer Sicht unlauteren Angriffe auf den Bürgermeister anscheinend zunehmen würden.

Vor einiger Zeit fand der Bürgermeister, so Franz, sogar einen abgeschlagenen Hasenkopf auf seinem Auto. Franz und seine Ratskollegen ließen keinen Zweifel daran, dass nicht erst damit im Diskurs eine Grenze überschritten werde. „Hier nehmen sich einige ganz klar zu viel heraus.“ Und das dürfe nicht toleriert werden, stand für die Ratsmitglieder fest. „Wir stehen für Sie ein, so wie Sie für die Gemeinde einstehen.“ Martin äußerte sich dann in der Ratssitzung nur ganz kurz und erklärte, dass es nie in seiner Absicht gewesen sei, den Bürgermeister persönlich anzugehen. Er wollte nur eine Diskussion über die Wirtschaftsmittel anstoßen.

Gegenüber unserer Zeitung äußerte sich Günther Martin nach der Sitzung umfassender. Er verstehe nicht die Kritik an seinem Schreiben bezüglich der Wirtschaftsbefugnis des Bürgermeisters, die niemals als Beleidigung aufzufassen gewesen sei. Martin habe, so sagt er, in seiner auch in unserer Zeitung veröffentlichten Stellungnahme lediglich bemängelt, das mit hoher Wirtschaftsbefugnis mehr Entscheidungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen würden. Deshalb habe er angeregt, solche Entscheidungen häufiger im Gemeinderat zu treffen.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Thomas Franz, habe nach dieser Veröffentlichung erklärt, dass er und die CDU diese Presseerklärung als Beleidigung des Bürgermeisters sehen würden. Der Bürgermeister sei, so Franz, in jüngster Zeit vielen Beleidigungen ausgesetzt gewesen, zitiert der grüne Gemeinderat seinen Kollegen. Auch Tarek Badr, Vorsitzender der SPD, habe Martins Aussagen verurteilt. „Durch derlei politisches Misstrauen habe Martin bereits die eigene Fraktion gesprengt und gefalle sich in der Rolle des fraktionslosen Einzelkämpfers“, wird Tarek von Martin zitiert.

„Ich bin absolut überrascht“

Mummert von den Freien Wähler habe Günther Martin bereits persönlich aufgefordert, sich zurückzunehmen. Karin Kohl, unabhängige Grüne, habe Martin gegenüber erklärt, dass diese wiederholten Beleidigungen des Bürgermeisters durch Martin bestätigten, dass es der richtige Schritt gewesen sein, die Bündnisgrünen zu verlassen. Der parteilose Gerhard Weixler habe ebenfalls erklärt, dass er die Beleidigung des Bürgermeisters verurteile.

„Ich bin absolut überrascht von diesem Theater und empfinde die Schaffung eines Zusammenhangs mit dem Hasenkopf unpassend. Außerdem sehe ich in dieser Stellungnahme keine Beleidigung des Bürgermeisters“, so Martin.

Bei den Anfragen der Bürger habe Bernd Bürkle laut Martin erklärt, dass seine Aussagen den Darstellungen von Donald Trump glichen. Eine Äußerung, der Martin, laut eigenem Empfinden, nicht habe widersprechen dürfen und die eigentlich vom Bürgermeister hätte gerügt werden müssen, so der Grüne. „Ich bin zwischenzeitlich der Überzeugung, dass das eine abgesprochene Sache war“, so Martin.

© Schwetzinger Zeitung, Mittwoch, 05.04.2017